Dennoch können einige noch aus jener Zeit aktiven Unternehmen diesen Zeitabschnitt als Futonboom bestätigen, weshalb sich unterschiedliche Interpretationsansätze finden lassen, um die Verbreitung des Futons in Deutschland zu dieser Zeit zu begründen.
In den USA wurden Futons durch japanische Immigranten im Raum Los Angeles und der Westküste in den frühen 70er Jahren bekannt und zum Teil für ein westliches Liegegefühl modifiziert. Diese amerikanischen Futons bestanden zu dieser Zeit zunächst wie die originalen Futons aus Japan aus Baumwolle, aber waren im Gegensatz dazu viel dicker. Die Beliebtheit in den USA erklärt sich dadurch, dass die Matratzen zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zu anderen Produkten aufgrund der niedrigen Produktionskosten der Baumwolle günstiger und die Praktikabilität der Futons ein großer Anreize zum Kauf von Futons waren. Damit konnten sich die Futons auf dem amerikanischen Markt etablieren.
Einen weiteren Schub erlebten die Futons durch das erwähnte Futonsofa des Amerikaners William Brouwer 1982. Aus verschiedenen Gründen waren daher Futons besonders unter Studenten an amerikanischen Colleges beliebt.
Aufgrund der wirtschaftlichen und kulturellen Nähe zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich sind die Futons dann ebenfalls in den Großstädten Englands - allen voran London - importiert worden, wo sie wie in den USA beliebt wurden. Es gründeten sich heimische Firmen, die Futons selber herstellten bzw. produzierten. Hier sind zum Beispiel Firmen wie die „Futon Company Ltd.“ (seit 1980 in London) oder die „Natural Bed Company“ (früher: The Futon Shop, seit 1980 in Sheffield) zu nennen. In den 80er Jahren begannen diese britischen Firmen wie auch US-Firmen die Futons in andere westeuropäische Staaten zu exportieren. Einer dieser Staaten war die Bundesrepublik Deutschland.
Die Futons wurden unter den jungen Menschen in diesen beiden Großstädten aus ähnlichen Gründen wie den USA und England immer beliebter. Dafür waren insbesondere der günstige Preis, der platzsparende Effekt und der Wunsch nach einer festeren Matratze verantwortlich.
Die Reiselust der Deutschen war damals dann nach dieser Überlegung entscheidender Faktor in der Beliebtheit der Futons, da solche Urlauber, die von ihren Japan Reisen zurückkehrten, mit der Schlafkultur des Landes vertraut waren und sich nach der Erfahrung mit den japanischen Futons nach den gleichen Produkten in Deutschland sehnten. Hier vermuteten die Unternehmen einen großen Markt an Kunden ansprechen zu können.
Nach meinem Verständnis und dem Austausch mit anderen Unternehmern aus jener Zeit war dieser Reisefaktor in Bezug auf die Futons nur ein unterstützender Faktor in der Futonentwicklung in Deutschland, aber kein Hauptgrund.
Die Rolle der Modewelle der Futons, die aus den USA und England in die deutschen Großstädte unter die Studenten und die jungen Menschen jener Zeit kam, war bei der Entwicklung der Futons entscheidender und bedeutsamer.
Dennoch schließt sich eine parallele Entwicklung beider Ansätze nicht aus, da generell die Futons durch die Entscheidungen einzelner Personen und den Glauben an das Produkt Futon erst bekannt wurden. Damit soll deutlich werden, dass die Beliebtheit der Futons nicht koordiniert gesteuert wurde. Es war ein dynamischer und sich an die Bedingungen anpassender Prozess.
Ein weiterer Faktor, der die Futonentwicklung zur damaligen Zeit begünstigte, war das restliche Matratzenangebot auf dem deutschen Markt. Dieses bestand hauptsächlich nur aus Schaumstoffmatratzen. Diese Art von Matratzen waren sehr monoton gestaltet.
Im Vergleich dazu wirkten die Futons exotisch und konnten durch jeweils andere Baumwollbezüge in verschiedenen Farben präsentiert werden, weshalb sie unter dem Kunden ebenfalls immer beliebter und nachgefragt wurden.
Auftreten des Futons als Alternativangebot zur damaligen monotonen Schlafkultur konnten fast alle Unternehmen unabhängig voneinander bestätigen. ist die Idee des Futons als „Alternative“ einer der Hauptgründe für den Futonboom von 1985-1991.
Eine weitere treibende Kraft in der Futonentwicklung war nach Angaben einiger Unternehmen auch die mediale Auseinandersetzung und Unterstützung von dem Produkt Futon auf Seiten der Wohnzeitschriften. Dabei sticht die wichtigste Zeitschrift im Bereich Wohnen in Deutschland ,,Schöner Wohnen“ besonders hervor.
Zeit der 80er und 90er Jahre konnte diese Zeitschrift aufgrund von Auflagen im Bereich von mehreren hunderttausend Lesern den Futon einem noch größeren Publikum vorstellen. Sinnbildlich hierfür steht das Cover des Heft 4 von Schöner Wohnen im April 1985.
Auf diesem werden dem Leser die Topmodelle von ,,Sofas zum Sitzen und Schlafen“ vorgestellt. Damit sind offensichtlich auch die Futonsofas gemeint, was sich durch das Bild des Sofas auf dem Cover ergibt. Aufgrund dieser prominenten Platzierung wurde der Futonboom nochmals verstärkt.
Ebenfalls interessant zu erwähnen ist, dass der Hauptsitz von „Schöner Wohnen“ in Hamburg war und ist. Dadurch wird die Bedeutung dieser Großstadt für die Verbreitung von Futons in Deutschland nochmals deutlich.
Durch die angeführten Anreize zum Kauf eines Futons wurde das Konzept, Futons herzustellen und zu verkaufen, zu einer profitablen und sehr attraktiven Unternehmensidee. Dabei waren junge Menschen und insbesondere Studenten, die auch die Hauptkundschaft von Futons waren, bei den meisten Gründungen in diesem Bereich beteiligt. Viele dieser Futonläden wurden auch als studentisches Projekt betrieben.
Aufgrund dieser großen Nachfrage erkannten viele Menschen das Potential der Futons und versuchten durch eigene Läden sich am entstehenden Futonmarkt zu beteiligen. Daraus erklärt sich die hohe Dichte von Futonläden zu jener Zeit des Aufschwungs der Futons 1985-1991.
Dabei entstand standortunabhängig eine große Konkurrenz zwischen den einzelnen Firmen. In diesem Kontext wurden die Konkurrenten nicht von jeder Firma, die selbst Futons vertrieb, nach dem Motto ,,Konkurrenz belebt das Geschäft“ wertgeschätzt. So gab es auch Feindschaften und einem großen Kampf um die Kundschaft.
Dennoch stellte sich ab 1991 ein Rückgang der Futons ein, was für viele Unternehmen im Futonbereich das Ende bedeutete.
Geht man davon aus, dass der Futon eine Modewelle war, so ist es nur logisch, dass der Hype um diese Art des Schlafens ab einem bestimmten Zeitpunkt sein Maximum erreicht und von da an das Interesse an den Produkten geringer wird. Wann diese Boomphase in Deutschland endete, war ist je nach Standort unterschiedlich.
Daraus lässt sich jedoch nochmals hervorheben, dass die Futonentwicklung nicht statisch war, sondern sich sehr dynamisch an die äußeren Umstände anpasste.
Das verminderte Interesse der Kundschaft lässt sich einerseits mit den natürlichen Zeitverlauf von solchen Modewellen erklären. Andererseits ist es aber auch so, dass viele Kunden, die damals Futons vielleicht nur wegen des Booms kauften, von den Futons enttäuscht wurden.
So war eine böswillige Bezeichnung des Futons als „Knochenbrechermatratze“ unter den Kritikern üblich. Dabei kollidierte hier die westliche Orientierung an weicheren Matratzen mit der ursprünglichen Konstruktion der Futons.
Noch dazu war die konstante Pflege der Futons durch Trocknen aufgrund der Naturmaterialien ein negativer Aspekt für viele. Die innovativen Unternehmen dieser Zeit versuchten durch immer weitere Modifikationen den Futon an den westlichen bzw. deutschen Liegekomfort anzupassen. Als bezeichnend gilt hier das Hinzufügen des Latexkern innerhalb der Matratzen, was den endgültigen Bruch mit den originalen japanischen Baumwollfutons darstellte.Dennoch konnten durch diese Modifikationen nicht alle Kunden zurückgewonnen werden oder neue vom Futon überzeugt werden.
Ein Futonunternehmer verglich die Entwicklung der Futons mit einer Tsunami-Welle. So hätten die Futons die Schlafzimmer und die deutsche Schlafkultur schlagartig verändert. Danach jedoch legte sich diese (Mode-)Welle der Futons durch verschiedene Faktoren sehr schnell wieder - wenn in unterschiedlichem Tempo in verschiedenen Städten.
Ein weiterer Effekt, der die Verdrängung der Futons vorangetrieben hat, war das Aufkommen der Kaltschaumatratzen in den 90er Jahren. Diese Kaltschaummatratzen waren im Vergleich zu den Futons noch billiger und entsprachen im Gegensatz dazu auch dem typischen westlichen Liegekomfort. Noch dazu waren die Produktionskosten von Kaltschaum im Gegensatz zu den reinen Naturmaterialien eines Futons niedriger.
So wurde das Alternativangebot Futon von anderen Alternativen in der Auswahl der Schlafmöglichkeiten ersetzt. Diese größere Vielfalt in der Schlafkultur in Deutschland wurde später durch die Boxspringbetten ergänzt und konnte die Futons immer weiter aus dem Fokus der Bevölkerung verdrängen. Es gab andere Produkte, die besser zur jeweiligen Lebenssituation der früheren Futonkunden passten.
Dadurch, dass sich viele Kunden vom Futon anderen Produkte zuwendeten, wurde der potenzielle Markt an Kunden für die Futonunternehmen immer kleiner. Viele der Futonläden mussten nun um einen noch kleineren Teil von Kunden konkurrieren. Durch die fehlende Kooperation untereinander und das neue Angebot neuer Matratzen konnten viele Unternehmen nicht mehr am Markt bestehen.
Dieses Aufkommen der Kaltschaummatratzen war in dem Sinne einer der Hauptgründe, weshalb der Boom der Futons allmählich aufhörte und die Futons zu einer Nische im deutschen Matratzenmarkt wurden.
Ein anderer Erklärungsansatz für das Verdrängen der Futonläden ist nicht nur die stetig wachsende Konkurrenz untereinander, sondern auch das Eintreten der großen Möbelhäuser wie IKEA in den Futonmarkt. Diese wurden von den hohen Umsatzmöglichkeiten, die kleinere Einzelhändler erzielen konnten, in Bezug auf Futons angezogen und verkauften nun selber Futons.
Das erste Auftreten der Futons in dem schwedischen IKEA-Katalog war 1995 und kann sinnbildlich für den deutschen Markt gesehen werden. So stiegen die großen Möbelhäuser erst in den Futonmarkt ein, nachdem kleiner Unternehmen die Profitabilität nachweisen konnten. Dabei konnten die Möbelhäuser mit den billigen Preisen bei den Kunden überzeugen (z.B.: 1.098 Schwedische Kronen inflationsbereinigt aus dem Jahr 1995: 1.696.89 SEK; 153,99 Euro).
Damit konnten die kleinen Futonunternehmen mit eigener Futonproduktion nicht mithalten und mussten schließen.
Ein weiterer Effekt dieser billigen Futons war die dadurch bedingte billige und minderwertige Qualität. Daher wurden wieder Kunden von den Futons enttäuscht und das rückläufige Interesse an diesen weiter verstärkt, was auch den kleineren Futonunternehmen in ihrer Entwicklung schadete. Weiter wird von diesen kleineren Unternehmen wie „Samorie Schlafsysteme“ ebenfalls die schlechte Vermarktung der Futons durch die großen Möbelhäuser genannt, was das weitere verminderte Interesse an den Futons generell förderte.
Die letzte Erwähnung der Futons in einem IKEA-Katalog war 2010. Damit zeigt sich, dass die großen Möbelhäuser auch noch spät nach dem eigentlichen Boom von Futons bei den kleineren Einzelhandelsunternehmen profitieren konnten.
Dies tun sie auch noch heute durch das Anbieten verschiedener futonartiger Möbel, wobei sie den Markt in den 90er Jahren nachhaltig veränderten.
Während eine große Menge von Futonläden, die nur auf Futons gesetzt hatten, aufgrund der beschriebenen Entwicklung schließen mussten, konnten einige andere Unternehmen weiter bestehen, indem sie ihr Sortiment erweiterten und sich anpassten.
Dabei setzten mehr und mehr Unternehmen in jener Zeit auf die Naturmatratzen, die zwar im Aufbau der Materialien den Futons gleichen, aber eine andere Konstruktionsweise aufweisen. So ist der Naturlatexanteil bei diesen Matratzen viel größer als bei den Futons. Außerdem werden diese nicht mehr wie Futons mit Knöpfen zusammengehalten, sondern gleichen dem ursprünglichen westlichen Matratzenaufbau. Daher konnten sie an den bestehenden Liegekomfort der Kunden anknüpfen und waren nicht mehr auf das Gründungskonzept der Futons angewiesen. Dabei wurde der Grundgedanke in der Verwendung von natürlichen Materialien in der Regel bewahrt.
Dieser Weg der Umstrukturierung und der Anpassung an die Marktsituation steht sinnbildlich für die Geschichte der Futons in Deutschland. Diese war immer davon geprägt, dass innovative Unternehmen nur durch konstante Adaption ihrer Produkte an den Markt gegen ihre Konkurrenten bestehen konnten. Weiter wird deutlich, dass die Entwicklung der Futons auch immer sehr standortabhängig war und es dementsprechend verschiedene Lösungsstrategien für die unterschiedlichen Unternehmen war.
Nach dem anfänglichen Boom der Futons in der zweiten Hälfte der 80er Jahren setzte in den 90er-Jahren eine stetige Verdrängung der Futons vom Matratzen- bzw. Bettenmarkt ein. Dabei waren natürliches Desinteresse an den Futons, Alternativangebote und größere Konkurrenz durch neue Konkurrenten bei einer verkleinerten Kundschaft hauptverantwortlich.
Die Futons wurden von einer vielversprechenden Massenbewegung unter Studenten zu einer Nische unter - sehr treuen - Liebhabern beschränkt.
Die Futons entstammen einer internationalen Mode- bzw. Lifestylebewegung, die sehr gut mit den Studentenmilieus der Großstädte in den 80er Jahren vereinbar war und sich deutschlandweit verbreitete. Sie prägten die deutsche Schlafkultur insoweit, dass sie ein Alternativprodukt waren und so eine neue Auseinandersetzung mit dem Schlafen indirekt anstoßen konnten.
Generell kann man sagen, dass die Kaufentscheidung Futon mit den verschiedenen Interessen der jeweiligen Personengruppen korrespondierte und damit deutlich wird, dass der Futon auch zu einem ,,philosophischen Statement“ (aus: David John Cole: Encyclopedia of modern everyday inventions 1948-, S.82) der jeweiligen Person wurde und nicht nur eine Matratze war.
Weiter wurde durch diese Forschungsarbeit gezeigt, dass Alltagsgegenstände wie Matratzen immer auch eine komplexe geschichtliche Vorgeschichte haben können, die sich auf mehreren Ebenen der Wirtschaft, der Kultur oder der Soziologie beurteilen lässt.
Dabei steht die Entwicklung der Futons auch für die gesellschaftliche Entwicklungen innerhalb der westdeutschen Gesellschaft.
Schließlich bilden die Futons, die Unternehmen und auch die Kunden den internationalen Austausch von anderen kulturellen Konzepten ab.